Hintergrund und Ziele
Das Frankfurter Inter-Zentren-Programm „Afrikas Asiatische Optionen“ (AFRASO) geht von der Prämisse aus, dass sich Regionalstudien in einer globalisierten Welt zunehmend mit Entgrenzungs- und Transregonalisierungsprozessen konfrontiert sehen, auf die sie mit innovativen Konzepten und Theorien reagieren müssen, um ihren sich rasch verändernden Gegenstandsbereichen weiterhin gerecht werden zu können. Das Frankfurter Afrika-Asien-Programm setzt sich mit dieser Problematik am Beispiel neuer afrikanisch-asiatischer Interaktionen auseinander und folgt dabei der Annahme, dass diese Interaktionen auf wirtschaftlicher, politischer, sozialer und kultureller Ebene nicht nur den Ländern Asiens, sondern auch afrikanischen Akteuren neue Handlungsspielräume eröffnen. Dabei spielen neben China und Indien weitere, im Zusammenhang mit Afrika bisher weniger untersuchte asiatische Akteure wie Japan, Indonesien, Korea, Malaysia und Vietnam eine zentrale Rolle.
Das Frankfurter Forschungsprogramm AFRASO verfolgt deshalb das Ziel,
- die sich gegenwärtig dynamisch vervielfältigenden Beziehungsmuster zwischen unterschiedlichen Regionen Afrikas und Asiens in vergleichender, inter- und transdisziplinärer Perspektive aufzuarbeiten,
- den Area Studies durch den Fokus auf transregionale Interaktionen zwischen Afrika und Asien innovative Theorieangebote zu unterbreiten,
- Regionalstudien an der Goethe‐Universität strukturbildend zu vernetzen und die Kooperation von Area Studies mit systematischen Disziplinen nachhaltig zu sichern und
- die Expertise zu afrikanisch-asiatischen Interaktionen an der Goethe-Universität Frankfurt international sichtbar zu bündeln.
Das Zentrum für interdisziplinäre Afrikaforschung (ZIAF) und das Interdisziplinäre Zentrum für Ostasienstudien (IZO) organisieren dazu ein innovatives und langfristig angelegtes Forschungsprogramm, das folgende Themenfelder bearbeitet:
Struktur des Forschungsprogramms:
Das Forschungsprogramm von AFRASO wird in zwei Plattformen mit jeweils zwei Schwerpunkten organisiert:
Plattform A: Neue Kooperationen – neue Abhängigkeiten?
Plattformkoordination: Prof. Dr. Arndt Graf (Südostasienwissenschaften) und Prof. Dr. Marc Boeckler (Humangeographie)
Neue Formen der Kooperation, insbesondere neue ökonomische Beziehungen, sind der Motor aktueller afrikanisch-asiatischer Interaktionen. Die zunehmende ökonomische Verflechtung zwischen Afrika und Asien, aber auch neu entstehende Ansätze zivilgesellschaftlicher Süd-Süd-Vernetzung, die mit den ökonomischen Prozessen einhergehen oder auf daraus entstehende soziale Problemlagen reagieren, stiften daher die Ausgangsfragen von Plattform A: Wie sind neue Chancen wirtschaftlicher Entwicklung mit neuen Risiken und Problemen von Ausbeutung und Abhängigkeit verschränkt? Welche neuen sozialen und politischen Handlungsoptionen entstehen aus neuen Kooperationen und welche älteren Formen der gesellschaftlichen Problembearbeitung kreuzen oder verdrängen sie? Welchen Beitrag leisten neue Kooperationen zu Entgrenzungsprozessen, und auf welche Weise können sie zur transregionalen Rekonzeptualisierung der Regionalstudien nutzbar gemacht werden? Plattform A ist in zwei Schwerpunkten organisiert. Beide Schwerpunkte betrachten Prozesse und Wirkungen neuer Kooperationen als Wechselverhältnisse und erfassen mit der Perspektive auf Afrikas asiatische Optionen immer auch Entwicklungen in den beteiligten asiatischen Ländern.
Plattform B: Neue Entwicklungskonzepte – neue transnationale Räume?
Plattformkoordination: Prof. Dr. Frank Schulze-Engler (Anglistik) und Prof. Dr. Uta Ruppert (Politikwissenschaft)
Neue Interaktionen zwischen Afrika und Asien verändern nicht nur konkrete Formen und Muster von Beziehungen, wie sie in Plattform A untersucht werden. Sie bringen zugleich auch veränderte Vorstellungen über die Ordnung und Verhandlung dieser Beziehungen hervor. Neue Konzepte von Entwicklung, die geeignet sind, westliche Werte und Ideen der Organisation gesellschaftlichen Lebens nachhaltig in Frage zu stellen, sind hier von besonderem Interesse. Ausgehend von der Annahme, dass Kultur und Raum die beiden zentralen Kategorien dieser konzeptionellen Transformationen darstellen, werden in Plattform B neue, kulturell vermittelte Konzeptionen von Entwicklung und neue, transregional ausgerichtete Ideen und Muster räumlicher Ordnung untersucht. Welche neuen gesellschaftlichen Dynamiken und ideellen Horizonte entstehen, wenn Kultur zum Modus der Verhandlung von Entwicklungskonzepten wird? Und welche Interessen werden auf diese Weise durchgesetzt oder ideologisch abgesichert? Welche bisher gültigen räumlichen Ordnungsgefüge werden in Frage gestellt, welche neuen Raumvorstellungen werden verhandelt? Und welchen Beitrag zu Entgrenzungs- und Transregionaliserungsprozessen können die neuen Konzeptionen leisten?
Erste Ergebnisse:
AFRASO hat in den ersten drei Jahren eine Fülle empirischer Fallstudien in acht asiatischen und elf afrikanischen Ländern durchgeführt, die international vielbeachtete Ergebnisse zu afrikanisch-asiatischen Interaktionen auf allen Ebenen hervorgebracht haben.
Afrikanisch-asiatische Interaktionen sind ein wichtiger Bestandteil der Transformation der im Gefolge des Kalten Krieges entstandenen bipolaren Weltordnung und tragen zur Entstehung multipolarer Beziehungsgeflechte oder „afrasischer Räume“ bei. Diese vielfältigen Interaktionsräume entwickeln sich auf der Ebene zwischenstaatlicher Beziehungen, im Bereich zivilgesellschaftlicher Interaktionen, im Hinblick auf Land- und Ressourcenmanagement und im lebensweltlichen Erfahrungshorizont von HändlerInnen, UnternehmerInnen, MigrantInnen und Studierenden ebenso wie im kulturellen Leben und in den Repräsentationen des jeweils anderen, z.B. in Literatur und Populärkultur. Afrasische Räume sind dynamisch, unübersichtlich und widersprüchlich und stellen eine Herausforderung für weit verbreitete (wissenschaftliche wie mediale) Erklärungsmuster wie z.B. „Chinas neue Kolonisierung Afrikas“ oder auch das Prinzip der einseitig positiv konnotierten Süd-Süd-Solidarität als Motor afrikanisch-asiatischer Interaktionen dar. AFRASO hat klar gezeigt, dass das weitverbreitete Klischee der chinesischen Dominanz in Afrika einer kritischen Überprüfung nicht standhält: Weder agiert China grundsätzlich in neokolonialer Art und Weise, noch ist es immer der wichtigste asiatische Akteur. Bedeutender noch: AFRASO konnte zeigen, dass sich afrikanischen Akteuren durch die Kooperation mit asiatischen Partnern tatsächlich neue Optionen bieten.
Die Beschäftigung mit „afrasischen“ Interaktionsräumen (sowohl auf der Ebene einer schwerpunktübergreifenden Arbeitsgruppe zur Theorie transregionaler Area Studies als auch auf der Ebene der Einzelprojekte) markierte eine wichtige forschungsstrategische Weiterentwicklung. Im Verlauf des Projekts entstanden wesentliche forschungsorganisatorische Neuakzentuierungen, indem die ursprüngliche Forschungsperspektive, die zunächst noch auf Interaktionen zwischen zwei (getrennt gedachten) Regionen fokussiert war, sich zu einem transregionalen Forschungsdesign weiterentwickelte. Dieses Forschungsdesign interessiert sich vor allem dafür, auf welche Weise transregionale Interaktionen Regionen beeinflussen und transformieren, welche neuen transnationalen und transregionalen Räume auf unterschiedlichen Ebenen durch diese Interaktionen entstehen und welche neuen Formen von „Doing TransArea“ entwickelt werden müssen, damit Regionalforschung in einer zunehmend von Süd-Süd-Beziehungen geprägten globalisierten Welt weiterhin wissenschaftlich und gesellschaftlich relevante Erkenntnisse liefern kann.
Mit den Begrifflichkeiten „Afrasia“ bzw. „afrasische Räume“ hat AFRASO neue Konzepte geprägt, mit denen zum einen ein im Entstehen begriffener transregionaler Interaktionsraum markiert wird, zum anderen ein heuristischer Zugriff auf die Neuordnung transregionaler Beziehungen in einer zunehmend multipolaren Welt ermöglicht wird. Das Projekt hat bereits einen eindrucksvollen Beleg dafür geliefert, dass transregionale Forschung im Spannungsfeld zwischen Regionalstudien und sogenannten systematischen Disziplinen wesentliche Erkenntnisfortschritte erbringt, die nur durch das enge Zusammenwirken einer Vielzahl von Lokal- und Fachexpertisen möglich werden.